Von Qualen und Quallen
"Die
Rheinpfalz" von Qualen und Quallen, 13.7.18
Triathlon:
Kalkofener Daniel Mannweiler wird Weltmeister im Cross-Duathlon und Zweiter bei
Duathlon-WM
Von Kathrin
Thomas
Dass er nach einer Verletzungspause starten konnte, war für Daniel
Mannweiler „ein Wunder“. ( Foto: Kettering/Frei)
«Odense/Svendborg.» Eine Pause – die will Daniel Mannweiler seinem Körper
und Geist nun erst einmal geben. Verständlich, nach diesen Strapazen. Der
38-jährige Kalkofener wurde am Dienstag im dänischen Svendborg erstmals in
seiner Karriere Weltmeister im Cross-Triathlon – nachdem er erst zwei Tage
zuvor Vizeweltmeister auf der Duathlon-Sprintdistanz geworden war. Der Weg zum
Titel war kräftezehrend – und schmerzhaft.
Dienstag, das Wasser ist kühl im Ostseehafen Svendborg: Mit dem Startsignal
stürzen sich die Athleten ins Wasser, um die erste Triathlon-Disziplin – einen
Kilometer schwimmen – schnell hinter sich zu bringen. Sie sind nicht die
einzigen im kühlen Nass. „Ich habe in meinem Leben insgesamt noch nicht so
viele Quallen gesehen“, sagt Daniel Mannweiler später. „Uns wurde gesagt: ’Die
meisten machen nichts.’ Mein Gesicht brennt immer noch von den Tentakeln. Das
war etwas zu heftig.“ Und ein Grund, weshalb der Kalkofener möglichst schnell
aus dem Wasser will.
Der Quallen-Antrieb wirkt: Als Zweiter geht es weiter auf die 29
Kilometer lange, recht flache Mountainbikestrecke. Mehrere technische Trails
mit Hindernissen und Sprüngen gilt es zu überwinden, der Abstand zu den
Verfolgern ist nicht groß. Mountainbike fahren hat Mannweiler lange trainiert:
in Südafrika. Mehrere Monate im Jahr verbringt der 38-Jährige mit seiner
Familie dort, die restliche Zeit lebt er in Kalkofen. Das Training zahlt sich
offenbar aus: Mannweiler führt bald das Feld an.
„Normalerweise arbeite ich mich beim Laufen nach vorne, aber dass jetzt die
Betreuer mit Stoppuhren am Rand standen und den Rückstand auf mich an ihre
Athleten weitergaben, war bei einer WM neu für mich“, so Mannweiler, der mit
einem Briten vorneweg fährt. Die ruppige Strecke macht es den Athleten nicht
leicht: Einige stürzen, bei anderen streikt das Rad. So auch bei Mannweilers
britischem Mitstreiter.
Als Mannweiler den Zehn-Kilometer-Cross-Lauf antritt, sind seine „Körner“
verbraucht. Die Strecke führt durch ein Naherholungsgebiet, steile Pfade rauf
und runter, über Treppen und Sandstrand. Der Vorsprung schmilzt, das dänische Publikum
feuert einen Landsmann auf Platz zwei an, der dem Kalkofener immer näher kommt.
„Ich wusste erst ganz am Ende, dass es reicht. Auf dem letzten Kilometer gibt
es eine längere Gerade, wo ich den Abstand sehen konnte und die Spannung sich
in Freude verwandelte.“
Nach 2:27:16 Stunden steht fest: Es ist der erste WM-Titel für Mannweiler.
Dass er starten konnte – eine Verletzung hatte ihn zuvor länger außer Gefecht
gesetzt – ist für den gläubigen Christen „ein Wunder“. Und der Verdienst
zahlreicher Helfer, wie er dankbar betont. Erst am Tag vor dem Rennen sei ihm
bei seiner Rad-Kontrolle der Kopf einer Spezialschraube abgerissen. „Es war
klar, da gibt es nichts zu reparieren, und es bedarf eines Wunders, um das Rad
noch rechtzeitig in die Wechselzone einzuchecken.“ In diesem Moment seien zwei
Mountainbiker aus dem Ort vorbeigekommen, die ihn von einem Fahrradladen zum
nächsten brachten, bis er die Schraube bekam.
Zum Zeitpunkt des WM-Titelgewinns hat Mannweiler bereits ein anderes großes
Rennen in den Knochen: Erst zwei Tage zuvor war er bei der Duathlon-WM über die
Sprintdistanz zu Platz zwei gelaufen. „Ich habe mich lange auf beides
vorbereitet. Aber es war ein Spagat: Normalerweise würde man vor einem Duathlon
nicht Schwimmen trainieren, auch Rennrad und Mountainbike fahren ist sehr
verschieden.“ Der Spagat gelang. Vielleicht auch, weil Mannweiler beim Duathlon
dem Rat seines Trainers Dirk Schmidt folgte: „Ich sollte den ersten Kilometer
langsam starten und ab dem zweiten Kilometer beschleunigen. Es fühlte sich im
Rennen falsch an, von der Startline nicht alles zu geben und die Schnellen
weglaufen zu lassen. Ich war noch nie so weit hinten“, sagt Mannweiler. Das
aber änderte sich. Viele Athleten vor ihm hatten sich schlicht übernommen.
Mannweiler lief die 5,5 Kilometer in 17:40 Minuten und fuhr mit einer großen
Gruppe auf der 20-Kilometer-Radstrecke. Stück für Stück sammelten sie fast alle
Fahrer vor ihnen ein. Mit der schnellsten Radzeit (30:05 Minuten) verschaffte
er sich eine gute Ausgangsposition für die letzten 2,5 Kilometer zu Fuß. 1,5
Kilometer vor dem Ziel lag Mannweiler noch an Platz sechs. „Ich habe schon ans
Aufgeben gedacht, damit die Schmerzen aufhören. Alle Muskeln brannten, und es
sah nicht aus, als wäre noch überhaupt etwas möglich.“ Er habe im Rennen
gebetet – und Kraft geschenkt bekommen. So viel, dass es am Ende zu Platz zwei
reichte.
„Ich wusste, dass ich gut in Form bin, und dachte, dass der Duathlon ganz
gut wird. Aber ich wusste ja gar nicht, ob mein Körper den Triathlon noch mitmacht“,
ist Mannweiler noch immer glücklich über sein Ergebnis. Und nun? Eigentlich
habe er für Ende Juli noch die Teilnahme an einer Deutschen Meisterschaft
geplant. „Aber im Moment ist der Kopf dafür noch gar nicht frei“, sagt er. Erst
einmal sei ausspannen angesagt. Im Schwimmbad – ganz ohne Quallen.